Zuchtwartbericht 2012/13

Mit Hilfe der jährlichen Zuchtwartberichte habe ich versucht auf positive, aber auch auf negative Entwicklungen hinzuweisen, und die Zuchtschwerpunkte für die nächste Zeit etwas näher zu beleuchten.

Grundlage für die Bewertung ist unser Europastandard. In ihm sind die Rassemerkmale, aber auch die groben Fehler definiert. An den Standard hat sich jeder SV, jeder Preisrichter und auch jeder Züchter zu halten. Dabei ist immer zu beachten, dass es sich bei unseren Tieren um lebende Kreaturen handelt, die sich verändern und welche zahlreichen äußeren Einflüssen ausgesetzt sind.

Man kann das Tier gut vorbereitet und in vollster Blüte auf eine Schau bringen. Das Tier kann aber auch von seinem Züchter zu mehreren Schauen, meist in kurzen Zeitabständen ausgestellt werden und schon verblüht sein. Es können sich verbissene Warzen entwickelt haben, der Schwung bzw. Schwanz kann unvollständig oder abgebrochen sein. Bestrümpfte Läufe werden mitunter im Ausstellungsstress vom Züchter übersehen. Fehlende Brustfülle, hängende Schwingen oder gesträubtes, verschmutztes Gefieder sind nicht selten Erscheinungen von Ausstellungsmüdigkeit bzw. mangelnder Vitalität. Dabei werden mitunter die Tiere, trotz hohen Rassewertes, mit niedrigen Punkten abgestraft. Uns Preisrichtern fällt das nicht immer leicht, aber unser Standard und unsere AAB geben die Richtlinien der Bewertung vor.

Auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Die Tiere können morgens als erstes, wenn das Licht erst eingeschaltet wurde, bewertet werden oder als letztes am späten Nachmittag an der Reihe sein. Sie können am Fenster, in der dunkelsten Ecke oder am Reihenende stehen. Wer ist der unmittelbare Käfignachbar? All das muss der Preisrichter bei der Urteilsbildung und Kritikverfassung beachten und spielt eine nicht unwesentliche Rolle.

Ein wesentliches Kriterium ist die Qualität der Kollektion. Die AAB schreibt als Richtwert vor, auf 10 Tiere 1 E und 2 Z zu vergeben. Tiere die in einer qualitativ schwachen Konkurrenz Preise erhielten, gehen bei harter Konkurrenz, wie z.B. der Europaschau, leer aus. Es ist auch ein Grund weswegen „V“-Tiere nicht auf jeder Schau mit der Höchstnote beehrt werden. Das wird leider von einigen wenigen Züchtern immer wieder vergessen und führt zu unsachlichen Diskussionen. Man kann schon sagen, auch ein gewisses Maß an Glück gehört einfach bei jeder Ausstellung dazu und sollte respektiert werden. Schaffen es dennoch Tiere in jeder Konkurrenz vorn zu landen, sind es die wirklichen „Granaten“ und zu recht der Stolz eines jeden Züchters.
Kommen wir nun zur eigentlichen Qualitätseinstufung. Wir müssen unseren Giant Homer immer als Einheit betrachten und gewisse Prioritäten setzen, ohne andere sich neu einschleichende Fehler zu übersehen. Wir können nicht nur nach einem Merkmal beurteilen. Nehmen wir als Beispiel das Halsgefieder. Gehen wir nur nach dem Halsgefieder haben wir bald nur noch größere Brieftauben in den Käfigen. Es gehört zur Bewertung ein gehöriges Maß an Fingerspitzengefühl dazu, um eine allseitige Qualitätsverbesserung zu erreichen. Wir können als SV froh sein, dass wir in dieser Hinsicht einen Stamm erstklassiger Preisrichter zur Verfügung haben. Die Entwicklung unsere Giant Homer in den letzten Jahren unterstreicht diese Feststellung.

Ob die kurze, keilige Form mit einer breiten vorstehenden Brust, das kurze gut gerundete breite Kopfprofil mit den 2 massiven Schnabelhälften, der massive keilförmige mittellange Hals oder die waagerechte Haltung mit einem mittelhohem breiten Stand. All das sind rassetypische Attribute, die immer in der Gesamtheit betrachtet werden müssen. Das straff anliegende Gefieder, welches den muskulösen kräftigen Körper einkleidet, trägt wesentlich zur gewünschten Eleganz bei. Aber auch viele andere Merkmale wie Gefieder- und Augenfarbe, Rückendeckung, Warzenbildung, die Erkennbarkeit des Geschlechtes, die Schnabelhaltung usw. sind nicht zu unterschätzende Merkmale bei der Bewertung.
Kommen wir nun zur letzten Schausaison. Unsere Aktivitäten umfassten eigentlich sechs Höhepunkte.

Zum Ersten unsere sehr gelungene Herbsttagung in Brachstedt, dann vier Sonderschauen und unsere Hauptsonderschau zum Saisonabschluss.
Die beiden Sonderschauen im November in Paaren/Glien und Magdeburg gehen als gut beschickte und organisierte Sonderschauen in unsere SV-Geschichte ein. Auch die Qualität konnte überwiegend überzeugen. Überrascht hatte mich die ausgezeichnete Qualität der Blauschimmel in Paaren/Glien.

Die Europaschau überstrahlte eigentlich in Qualität und Quantität mit 500 Tieren alle anderen Schauen. Ja, wenn selbst Besucher aus Übersee über die gezeigten Giant‘s sehr positiv überrascht waren und uns einen qualitativen Gleichstand mit ihren amerikanischen Tieren bescheinigten, nehmen wir das gern als „Ritterschlag“ mit nach Hause.

0,1 Giant Homer, Züchter Gerd MüllerEine weiße Täubin von Gerd Müller, die mit sg 95 E in Leipzig bewertet wurde, mit prima Körpertiefe und typischen Halsaufbau.

Die VDT-Schau in Nürnberg eine Woche nach Leipzig lag mit 156 Tieren im Bereich des Erwarteten. Sicher hatte an diesen zwei gut beschickten Schauen unsere Hauptschau im Januar etwas zu knabbern, denn 336 Tiere sind einfach zu wenig.  All den Organisatoren und Preisrichtern, die wesentlich zum guten Gelingen beitrugen, ein großes Dankeschön für Ihre diesbezüglichen Aktivitäten zum Wohle unseres SV.

Wie hat sich nun die Qualität in den letzten Jahren entwickelt? Zweifellos haben wir in der kurzen, keiligen Form die größten Fortschritte gemacht. In diesem Punkt haben sicher auch unsere ungarischen Freunde mit Ihren Tieren die Qualität vorangebracht. Auf eine korrekte, keilige Halsführung, nicht eingeduckt, ohne Hengstnacken und mit einem straff anliegendem Hals- und Kehlgefieder ist weiterhin besonders zu achten. Das Kopfprofil wurde weiter verbessert, jedoch neigen einige Tiere zur Niedergesichtigkeit. Waagerecht soll der Schnabel eingebaut sein. Der Rücken und die Schwanzpartie dürfen nicht zu lang sein. Der Schwingenlage muss weiterhin Beachtung geschenkt werden. Hängende Schwingen bedeuten „G“. Mitunter werden recht breite Schwänze gezeigt. Das 1,5 fache einer Federbreite sollte nicht überschritten werden. Hängende Ortfeder ist auch bei den Giant’s ein Fehler. Vorsicht! Er vererbt sich hartnäckig. Ein relativ neues Problem sind die teilweise aufgetretenen hängenden Augenlieder. Dies führt zu unmittigen Pupillen und ist ein Fehler. Wir haben keine Show Homer. Die Augenränder sollen schmal und der Gefiederfarbe angepasst sein. Ein heller Rand bei den Blauen ist ein Fehler. Auch ein grober, breiter Rand wirkt unschön und muss, wenn auch selten gezeigt, kritisiert werden. Die Augenrandfarbe der Weißen wird nun im EE-Standard rötlich gefordert. Hier müssen wir nun wieder „zurückrudern“ und gewisse Zugeständnisse nach der Vereinheitlichung des Europastandards akzeptieren. Die im Zuchtausschuss festgelegte Übergangszeit, wonach wir 3 Jahre die Augenrandfarbe der Weißen weitgehend unberücksichtigt lassen, endet nach der nächsten Schausaison. Dann wird auch bei den Weißen verstärkt auf die im Standard geforderte rötliche Randfarbe geachtet werden.

Wir haben zwar keine Farbentauben, aber bei den Bindigen sollte die Schildfarbe rein und die Binden schmal, getrennt und bei den blauen Farbenschlägen nicht rostig sein. Besonders einige Blauschimmel haben an der Bindenfarbe zu kauen.

Bei manchen Tieren ist die Größengrenze erreicht. Die Tiere sollen vital und zuchtfreudig bleiben. Das geht auf Dauer nicht mit „3 Pfund Riesen“. Wir sind nicht pingeliger als der Papst, aber was zu groß ist, muss zurückgesetzt werden. Das gleiche gilt für die kleinen Tiere. 600 g ist einfach zu wenig. Diesen Tieren fehlt dann meist auch die Körpertiefe und die Brustfülle und ein „SG“ ist nicht machbar. Die Halsfalten sind kaum noch zu sehen. Hier hat sich die beharrliche harte Richtertätigkeit ausgezahlt. Bei einigen Farbenschlägen muss auf zartere Warzen geachtet werden. Unterschnabelwarzen haben es laut neuem EE-Standard schwer. Wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, aber alles kann nicht mehr durchgehen. Es sind nicht nur Bisswunden. Grobe Warzenbildung einschließlich der Unterschnabelwarzen werden auch vererbt. Wer die Kritiken zur EE-Schau gelesen hat, wird bemerkt haben, dass die eingesetzten Sonderrichter oft auf den rauen Unterschnabelansatz hingewiesen haben, also Gnade vor Recht ergehen ließen. Es waren einfach zu viele Spitzentiere dabei, es hätte große Diskussionen gegeben und vor allem unsere ausländischen Aussteller hätten dabei oft schlecht ausgesehen. 

Apropos Kritiken, einige Aussteller lesen scheinbar nicht die Kritiken, denn anders ist manch eine Diskussion nicht zu verstehen. Unsere Preisrichter sind immer bemüht ausführliche und aussagekräftige Kritiken zu verfassen. Auch wenn unsere Preisrichter  dadurch, im Vergleich zu anderen Richtern, oft sehr lange bewerten. Auch eine ausführliche gemeinsame Grobbeurteilung der Kollektion gehört am Beginn der eigentlichen Bewertung bei uns immer dazu. Grenzfälle werden grundsätzlich gemeinsam besprochen. Bei Fragen der Aussteller sollte zuerst bei dem eingesetzten Preisrichter nachgefragt werden. Er kennt die Kollektion am besten. In Zukunft werden wir zu den Großschauen während den Ausstellungstagen Tierbesprechungen durchführen. Dabei werden an den Käfigen die Kritiken und Bewertungsergebnisse durch unsere Sonderrichter vor Ort besprochen. Das wird sicher den Ausstellern am besten helfen und irgendwelchen unsachlichen Diskussion entgegenwirken.

Auch zur Jungtierbesprechung bzw. Bewertung werden wir mehr Wert auf eine Besprechung im Nachgang der Bewertung legen.
Fakt ist allerdings, die Qualität hat sich erfreulich auf breiter Basis verbessert. Sieht man sich alte Bilder an, ist ein Fortschritt unverkennbar. Besonders die Formen und die Gesichter sind kürzer geworden. In diesem Jahr entschieden oft nur Nuancen über den Sieger. Einen herzlichen Glückwunsch an alle Preisträger. Und wer nicht dazugehörte, sollte sich mit den Anderen über die Siegertiere freuen.
Ich wünsche Euch allen eine erfolgreiche Zucht, viele Jungtiere, persönlich alles Gute mit bester Gesundheit und ein gesundes Wiedersehen zu unseren kommenden SV Höhepunkten.

Arndt Trepte, 1. Zuchtwart